Ix.

IX.
Es bricht aus mir ein bunter Faschingszug
Und zieht dahin mit tönendem Gepränge;
Talüber wallt im luftigen Gedränge
Ein Bilderreigen, mein Gedankenflug.

Wie spielend sie die Luft hinübertrug,
So ranken sich, ein üppig Laubgehänge,
Bis auf zum Giebel, meine Nachtgesänge
Rings um ihr Haus, ein zauberischer Trug.

Es rauscht und schwillt und bricht in's Schlafgemach
Und singt und klingt die reine Seele wach,
Betäubt tritt sie in meine Blumenschlingen;

Nun ist es Zeit, mein Herz, mach' dich hinzu!
Nachtwandelnd weiß sie's nicht und lauscht in Ruh':
Kannst Alles, Alles ihr zu Ohren bringen! (S. 75-76)

Collection: 
1806

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VI.
Wohl ist die Lilie wunderbar,
Wenn stolz sie sich im Garten wiegt,
In ihrem Kelche, sonnenklar,
Langsam der Morgentau versiegt;
Doch mag ich gehn und wandern,
So weit nur Lilien stehn,
Ist keine vor der andern
Mit höherm Schmuck versehn.

...

V.
Viele Wochen sind entflohn,
Seit ich Dich gesehen;
Hab' auch lange Tage schon
Keine Blum' gesehen!

Keine Blumen und kein Lieb -
Ach was soll das werden?
Was soll aus dem Frühlingstrieb
In mir innen werden?

Zwar noch stets der Lenz...

IV.
Nun in dieser Frühlingszeit
Ist mein Herz ein klarer See,
Drin versank das schwere Leid,
Draus verdampft das leichtre Weh.

Spiegelnd mein Gemüte ruht,
Von der Sonne überhaucht,
Und mit Lieb' umgießt die Flut,
Was sich in dieselbe taucht.

...

III.
Sitzt man mit geschloßnen Augen
Einsam in dem dunkeln Zimmer,
Blitzt oft durch die zarten Lider
Plötzlich roter Kerzenschimmer;
Weiß ich doch, daß Sonnenstrahlen
Durch die Augendeckel dringen
Und in flimmernden Gebilden
Sich um unsre Seele...

II.
Durch's Frührot zog das Wolkenschiff
vor einem hellen Frühlingstag,
Als ich, ein träumend Schülerkind,
im morgenstillen Felde lag;
Ein Falter streifte meine Stirn,
und vor mir eine Lilie stand;
Ich aber schaute drüber hin
in's tiefe, blaue...