49.

49.
Dein kleines Bild, das deine Hand mir malte
Und du aus Ferne liebend mir geschickt,
Ist mir nun mehr als unser Herr am Kreuze,
Zu dem ich Gnade flehend aufgeblickt;

Den ich um deinetwillen heiß beschworen,
Dem ich um dich so tief ergeben war /
Jetzt ist er meinem Herzen ganz verloren,
Dein Bild, dein Bild nur steht auf dem Altar!

Die Augen, die so tief an meinen tranken,
Die Schläfe, die mein Finger sanft berührt,
Die Brauen, die an meine Stirne sanken,
Die Lippen, die im Kuß so süß verführt . . .

Dies liebe Antlitz ist nun meine Sonne,
Die jeden leeren Tag mit Glanz erfüllt.
O Sünde! / Mehr als Christus und Madonne
Ist mir, Geliebter, dieses kleine Bild!

Collection: 
1912

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9.

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Durch nächtliche Gassen welch süßes Getön,
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Wie flüsternde Binsen, wie zartestes Wehn
Von Winden in knospenden Bäumen!

Ich öffne das Fenster und blicke hinaus
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8.

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Unvergleichliches Entzücken
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Häufe ihn in schönstem Glase,
...

7.

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63.

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Nur Stunden noch, dann kommt der schwarze Nachen,
Und steinern kalt wird Dunkel mich umstehn.

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