10.

10.
Ich möchte wohl solch eines reinen Knaben
Verschwendend ersten Liebesjubel haben
Und seine glückgeschwellten Lippen küssen,
Die noch von Frauenmund und -Leib nichts wissen.

Behutsam hielte ich die volle Schale
All seiner Zärtlichkeit in scheuer Seele,
Daß nicht zu früh und nicht mit einem Male
Um seinen Reichtum ihn mein Herz bestehle.

Nur leise wollte ich von seinem Wissen,
Das unbewußt sein Sinnenfühlen leitet,
Die Schleier lösen, bis sie fallen müssen,
Und er aus Traum ins heiße Leben gleitet.

Doch dann, doch dann / ihr Ströme von Entzücken,
Wie würdet niederstürzend ihr beglücken,
Aus ewigen Quellen solche Wonnen schenken,
Daß wild zwei Seelen nur noch, ›Sterben‹ denken!

Collection: 
1912

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9.

9.
Durch nächtliche Gassen welch süßes Getön,
Wie zwitschernde Vögel in Träumen,
Wie flüsternde Binsen, wie zartestes Wehn
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Ich öffne das Fenster und blicke hinaus
Und lausche mit...

8.

8.
Unvergleichliches Entzücken
Blüht mir auf aus buntem Strauß;
Welche Freude, ihn zu pflücken,
Sommerglück ans Herz zu drücken!
Trag ihn armevoll nach Haus.

Häufe ihn in schönstem Glase,
...

7.

7.
Zuweilen geh ich morgens in den Garten,
Wenn noch der Tau die nackten Füße streift,
Verschlafne Vögel auf die Sonne warten
Und alles sacht dem Licht entgegenreift;

Dann trinken meine nachterfrischten Sinne
All...

6.

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63.

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Nur Stunden noch kann meine Seele wachen
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Ein letztes Mal die Liebe anzufachen /
Nur Stunden noch, dann kommt der schwarze Nachen,
Und steinern kalt wird Dunkel mich umstehn.

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