I.

I.
Ich will spiegeln mich in jenen Tagen,
Die wie Lindenwipfelwehn entflohn,
Wo die Silbersaite, angeschlagen,
Klar, doch bebend, gab den ersten Ton,
Der mein Leben lang,
Erst heut noch, widerklang,
Ob die Saite längst zerrissen schon;

Wo ich ohne Tugend, ohne Sünde,
Blank wie Schnee, rein vor der Sonne lag;
Wo dem Kinderauge noch die Binde
Lind verbarg den blendend hellen Tag: -
Du entschwund'ne Welt,
Klingst über Wald und Feld
Hinter mir wie ferner Wachtelschlag.

Wie so fabelhaft ist hingegangen
Jene Zeit voll zarter Frühlingspracht,
Wo, von Mutterliebe noch umfangen,
Schon die Jugendliebe leis erwacht,
Wie, vom Sonnenschein
Durchspielt, ein Edelstein,
Den ein Glücklicher an's Licht gebracht.

Und die weiße Rose in der Mitte,
Tat sich auf der ganze Blumenflor,
Blühte und erstarkte jede Sitte,
Und die Hoffnung stand am Lebenstor.
Alles wundert sich,
Ich aber freute mich,
Bis den Talisman ich selbst verlor.

Wenn ich scheidend einst muß überspringen
Jene Kluft, die keine Brücke trägt,
Wird mir nicht ein Lied entgegenklingen,
Das bekannt und ahnend mich erregt?
O die Welt ist weit!
Ob nicht die Jugendzeit
Irgendwo noch an das Herz mir schlägt?

Träumerei! Was sollten Jene hoffen,
Die nie sahn der Jugend Herrlichkeit,
Die ein unnatürlich Los getroffen,
Frucht zu bringen ohne Blütenzeit?
Ach, was man nicht kennt,
Darnach das Herz nicht brennt
Und bleibt kalt dafür in Ewigkeit.

In den Waldeskronen meines Lebens
Säusle fort, du kühles Morgenwehn!
Leuchte hell, o Sonne meines Strebens,
Ich will treu in deinem Scheine gehn!
Rankend Immergrün
Soll meinen Stab umblühn,
Doch noch Ein Mal - will ich rückwärts sehn. (S. 65-66)

Collection: 
1806

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VI.
Wohl ist die Lilie wunderbar,
Wenn stolz sie sich im Garten wiegt,
In ihrem Kelche, sonnenklar,
Langsam der Morgentau versiegt;
Doch mag ich gehn und wandern,
So weit nur Lilien stehn,
Ist keine vor der andern
Mit höherm Schmuck versehn.

...

V.
Viele Wochen sind entflohn,
Seit ich Dich gesehen;
Hab' auch lange Tage schon
Keine Blum' gesehen!

Keine Blumen und kein Lieb -
Ach was soll das werden?
Was soll aus dem Frühlingstrieb
In mir innen werden?

Zwar noch stets der Lenz...

IV.
Nun in dieser Frühlingszeit
Ist mein Herz ein klarer See,
Drin versank das schwere Leid,
Draus verdampft das leichtre Weh.

Spiegelnd mein Gemüte ruht,
Von der Sonne überhaucht,
Und mit Lieb' umgießt die Flut,
Was sich in dieselbe taucht.

...

III.
Sitzt man mit geschloßnen Augen
Einsam in dem dunkeln Zimmer,
Blitzt oft durch die zarten Lider
Plötzlich roter Kerzenschimmer;
Weiß ich doch, daß Sonnenstrahlen
Durch die Augendeckel dringen
Und in flimmernden Gebilden
Sich um unsre Seele...

II.
Durch's Frührot zog das Wolkenschiff
vor einem hellen Frühlingstag,
Als ich, ein träumend Schülerkind,
im morgenstillen Felde lag;
Ein Falter streifte meine Stirn,
und vor mir eine Lilie stand;
Ich aber schaute drüber hin
in's tiefe, blaue...