Die Nackenlinie

Wenn auf einem weißen Halse
Sich ein schwarzes Lockenköpfchen
Lächelnd wendet, giebt es eine
Wunderschöne Nackenlinie.

Diese wunderschöne Linie
Hab' ich hundertmal bewundert,
Wenn mein Liebchen mir noch einen
Letzten Abschiedsblick vergönnte.

Aus den Augenwinkeln glänzte
Ihr dann Liebe, Glück und Freude,
Ihre schwarzen Nackenlöckchen
Kräuselten sich vor Vergnügen.

Nun in ihrem Mädchenzimmer,
Das ich heut' zum ersten Male
Durft' betreten - in der Göttin
Heiligtum dacht' ich zu wandeln-

Find' ich einen wunderschönen
Tito Conti, eine süße,
Dunkle Schönheit aus Italien,
Aus den Augenwinkeln blitzend.

Auf dem vollen, weißen Halse
Wendet sie das schwarze Köpfchen,
Lachend ihre Zähne weisend,
Und die Nackenlöckchen kichern;

Fragen kichernd: "War's die Liebe,
Die des Liebchens Kopf verdrehte,
Wenn sie dir noch einen letzten,
Gnädigen Abschiedsblick vergönnte?

Oder war es die bewußte
Kenntnis dieser schöngeschwungnen
Und koketten Nackenlinie
Auf dem Bild des Tito Conti!

aus: Hugo Salus Gedichte
Zweite durchgesehene Auflage
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1901

Collection: 
1900

More from Poet

Ich weiß ein paar winzige Liebesgeschichten,
Und solche erleb' ich an jedem Tag:
Zwei braune Augen, zwei blaue Augen,
So heißt meine erste Liebesgeschichte;
Zwei braune Augen, zwei graue Augen,
Und das ist die zweite...

Sternschnuppenfall, Sternschnuppenfall!
Heut will ich nicht schlafen und immer nur wünschen,
Und alles wird in Erfüllung gehn:

Ein Kleid aus Seide, aus schneeweißer Seide,
Mit uralten Spitzen aus Brabant,
Und jeder Knopf ein...

Da du mit mir dies schlichte Lager teilst,
Du heißgeliebtes, königliches Weib,
Mit mir glutspendend in den Morgen weilst,
Ward königlich durch dich mein schwacher Leib.

Und da der Morgen nun durchs Fenster bricht,
Wie sagt Ahn...

Tag- und Nachtfahrt hinter mir,
Alpenglanz in wachen Blicken,
Drängt es mich, Geliebte, dir
Meinen Ferndrahtgruß zu schicken.

Ein paar Worte: Namen, Ort;
Denke dein, du innig Süße,
Alles blüht hier, Baum wie Wort,...

Ich hatte jetzt nach liebesöder Zeit,
Die mein Gemüt verdorren ließ zur Wüste,
Ein Traumerlebnis voller Zärtlichkeit,
Die mich mit aller Glut der Jugend grüßte.

Ganz Weib, nur Weib, so standest du vor mir,
Und ich vor dir, dir...