Der Schatz

Ich hab' ein stilles Kämmerlein
Gar einsam und verborgen;
Doch bin ich darum nicht allein:
Zuerst der liebe Sonnenschein
Besucht mich jeden Morgen.

Den Himmel rechn' ich mit dazu:
Sein Blick macht mich so selig!
Er schaut den ganzen Tag mir zu
Und wacht des Nachts für meine Ruh
Mit Augen, die unzählig.

Dann pflegt der Mond von Zeit zu Zeit
Es gut mit mir zu meynen;
Er lugt durchs Fenster voll und breit,
Und ist mit mir sogleich bereit
Zu lächeln, auch zu weinen.

Und bleibt er auch zuweilen aus
Bey Sturm und Schnee und Regen,
Wo Niemand gern ist außer'm Haus;
Die Unterhaltung bleibt nicht aus,
Ich bin drum nicht verlegen.

Mir bleibt noch ein geheimer Schrein,
Ein Kleinod zu verwahren:
Den öffn' ich so, für mich allein;
Es mag auch noch so finster seyn,
Ich kann das Licht ersparen.

Ein heller Schatz ruht drin verwahrt,
Um mich daran zu letzen:
Der ist von ganz besondrer Art,
Wie Demant rein, wie Perlen zart,
Auf keinen Preis zu schätzen.

Da mag ich recht so Aug' als Herz
An seiner Schönheit weiden,
In ihm da find' ich Lust und Scherz,
In ihm da find' ich Leid' und Schmerz,
Genuß und Sich-bescheiden.

Ihn trüg' mir keiner mit sich fort;
Er kann von mir nicht scheiden:
Wohl ist er meines Lebens Hort,
Und nennt' ich ihn mit Einem Wort,
Man würd' ihn mir beneiden.

Collection: 
1816

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