15.

Liebchen, ich traue dir nicht, und wenn reizender noch dir die Aeuglein
Blickten, die nur dein Geist lenket und nimmer dein Herz,
Lächeltest du viel freundlicher auch, zwar ist es unmöglich,
Und dein schmeichelndes Wort, wär' es auch doppelt so süß.
Oft schon riefst du zurück den Entfliehenden, reuig gehorcht' er,
Und schnell, wenn du gebotst, linderte Zorn sich und Schmerz;
Dein nur war der Triumph und mein schuldlose Bestrafung,
Und ich büßte, wo du, flüchtiges Wesen, gefehlt.
Doch bald panzerte wieder mit tödtlichem Frost sich die Brust dir:
Schmeichler schaltest du den, der dir geöffnet das Herz,
Zürntest dem kühneren Freund und verlachtest stolz den Verzagten;
Nur wer muthig entfloh, zwang dich mit eigener List.
So viel hüpfende Funken entsprühn dem lodernden Herd nicht,
So viel Wellen umhegt nicht das unendliche Meer,
Als feindselige Launen sich dir im Busen bekämpfen;
Sklavin bist du dir selbst; Liebchen, erröthest du nicht?
Nur wer fest die begonnene Bahn fortwandelt, beherrscht sich,
Treue, wie Ketten von Gold, fesselt und schmückt sie zugleich.
Wie? du lächelst mich an und spottest keck der Vermahnung?
Siehe dich vor, fast schon wünsch' ich dein Schüler zu seyn.
Winke mir nur, ich folge dir gern, und, bist du auch treulos,
Ist uns die Wahrheit fern, immer doch reizet der Schein.
Schmeichle mir nur und küsse mich oft; nie soll es mir weh thun,
Daß nicht Liebe, daß nur Laune mich glücklicher macht!
Rasch den Genuß des entfliehenden Jetzt fortraffen ist Weisheit,
Und die Erinnrung bleibt immer ein dauerndes Gut.
Doch wenn ich still hinsink' in den Rausch gluthvoller Umarmung,
Wenn hochklopfend das Herz jegliche Fessel  zersprengt,
Wenn dein ewiger Kuß auf dem Flug der gewaltigen Sehnsucht
Hoch den erbebenden Geist hebt in den Himmel der Lust,
Kann ich auch dann im bethörenden Wahn, o kann ich auch dann noch
Rufen das frostige Wort: Liebchen, ich traue dir nicht!

_____

Collection: 
1841

More from Poet

12.

Laulich schlüpfte der West durch des Harzwalds schauriges Dunkel,
Ueber den felsigen Höhn spielte das Abendgewölk,
Sehnsucht rieselt' im Quell, und im Berghain rieselte Sehnsucht,
Sehnsucht wiegte sich her auf dem entfernten Geläut,
...

11.

Liebchen, o komm zum ländlichen Fest, das ich heute bereitet,
Wahrlich, im fröhlichen Kreis fehlte die Grazie sonst!
Sieh, zur arkadischen Flur ward rings der verödete Harzwald,
Hoch am schroffen Gebirg winket der Tempel der Lust.
...

10.

Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille,
Einst in die Hände des Volks, zu der Gebildeten Ohr,
O dann tilge den Namen hinweg der Geliebten und jedes
Deutende Wort, denn hart richtet der kalte Verstand!
Also...

9.

Liebchen, wie leben wir doch so wundersam? Sind wir denn wirklich
Eins in das Andre verliebt, oder betrügt uns der Schein?
Traulich sitzen wir oft, und es scherzt muthwillig der Leichtsinn
Ueber das tiefe Gefühl, über ein schwärmendes Paar;
...

8.

Amor, himmelgeborener, komm, nicht jener, der sinnlos
In's wildwogende Meer frevelnder Lüste sich senkt,
Nicht du verderblicher Gott, der tief in die Herzen den Pfeil uns
Schleudert und hoffnungslos ewige Gluthen erweckt:
Nein, du reizendes...